Rothenberg. Reinhold Hoffmann lässt Adam erzählen. Der Rothenberger Pfarrer folgt dem biblischen Urvater aufs Feld, holt ihn ein, spricht ihn an auf seine Geschichte, die gleich am Anfang der Bibel erzählt wird; auf diese so folgenreiche Geschichte, welche im Paradies beginnt und mit der Vertreibung daraus auch die Weichen für die gesamte Menschheit stellt. Aber dort, im Alten Testament, wird über Adam gesprochen. Pfarrer Hoffmann hingegen spricht mit ihm, lässt ihn selbst zu Wort kommen - und zeigt damit eine Perspektive auf, welche in der Bibel verborgen bleibt. Eine mögliche Perspektive freilich, durch Einfühlung ermöglicht. Es könnte auch anders sein. Aber wenn die Schöpfungsgeschichte und der Beginn der Menschheit in der Bibel so überliefert werden, als habe jemand zugesehen und beschreibe das Geschehene, so bleibt manches offen: wie es sich für die Betroffenen anfühlte, das Paradies verlassen zu müssen, vor Gott schuldig zu werden. Und auch, einander zu lieben, Eltern zu werden - und wie es dann weiterging. Sohn Kain ermordete bekanntlich seinen Bruder Abel. Aber der biblische Bericht fährt immer weiter fort, schaut nach vorne. Zurück bleiben Adam und Eva, werden mit keinem Wort mehr erwähnt. Aber auch ihr Leben, so darf man annehmen, ging noch weiter. Was erlebten, was fühlten sie? Mit welchem Blick schauten sie zurück und voraus?
Mögliche Antworten gab Reinhold Hoffmann bei einem Abend in der evangelischen Kirche in Rothenberg: 'Adam erzählt' lautet der Titel der von Hoffmann verfassten Dialog-Geschichte. Seinen atmosphärisch dichten und anrührenden, eher leisen Gedanken wären mehr Zuhörerinnen und Zuhörer zu wünschen gewesen.
"Danke, es geht uns gut", sagt Adam; räumt aber auch ein, dass das Leben mühsam sei. Doch auch wenn Eva und er im Paradies sorgenfrei gelebt hätten und nun Tag für Tag viele Aufgaben anstünden, so sei es zugleich faszinierend festzustellen, "etwas zu können". So schlafe er abends, nach dem Tagwerk, zufrieden ein. Auch Evas Schuldgefühle wegen der Vertreibung aus dem Paradies kommen zur Sprache, ebenso Kains Brudermord. Adam ist wütend auf seinen Sohn, der nach seiner Tat in die Ferne gegangen ist. Er ist aber auch traurig, im Grunde seine beiden Kinder verloren zu haben. Und: "Ich liebe ihn noch immer."
Adam weiß: Es gab viel Schlimmes bisher, aber es gab auch unendlich schöne Augenblicke, wie er sagt. Und schließt: "Wie es ist und war, so ist es mein Leben." Nein, zurück will er nicht. Er möchte weitergehen, aber: "mit Gottes Hilfe". Trotz des Sündenfalls, der Entfernung von Gott, gibt es keine Trennung, sondern der erste Mensch weiß sich begleitet, und er weiß, dass er nur um Gottes willen und mit seiner Hilfe leben kann und darf.
Pfarrer Hoffmann saß mit seinen - oder eher Adams - Gedanken, die er nicht nur vorlas, sondern wie in einem Dialog interpretierte, nicht allein vor seinem Publikum. Musikalisch einfühlsam unterteilt wurden die einzelnen Abschnitte von 'Folks', einem Quartett, das getreu seinem Namen Irish-Folk-Musik spielte, die einen ganz eigenen Kontrapunkt zu den Worten bildete. Ein drittes trat hinzu: Bilder von Mechthild Solf.
Reinhold Hoffmanns Erzählung 'Adam' gibt es auch als Hörspiel, im Internet zu finden unter:
https://atnt-wortklang.bandcamp.com.
Musik von 'Folks' dazu findet sich hier:
https://folks-band.bandcamp.com.
Bernhard Bergmann
25.11.2025