Evangelisches Dekanat Odenwald

In Deutschland ankommen

Der lange Weg von Reza M.

Michelstadt. Es war im Februar 2016, als es an der Tür des Michelstädter Gemeindebüros klingelte und acht junge Männer aus dem Iran um Hilfe baten. Alle waren im Flüchtlingscamp in der Relystraße untergebracht, alle wollten gern Deutsch lernen und alle interessierten sich für den christlichen Glauben.

Schnell wurde in Absprache mit dem Kirchenvorstand eine Regelung gefunden: Zweimal in der Woche erteilte Gemeindesekretärin Annelore Berg Deutschunterricht. Pfarrerin und Dekanatsreferentin Renate Köbler vermittelte über längere Zeit Grundlagen des christlichen Glaubens, da die Männer den Wunsch hatten, sich taufen zu lassen. Die meisten von ihnen hatten bereits im Iran unerlaubt Kontakt zu christlichen Kreisen, die sich da und dort heimlich treffen und brachten daher einige Vorkenntnisse, aber auch viele offene Fragen mit. Die Entscheidung zur Taufe ist ein großer Schritt und muss sehr bedacht getroffen werden: Sie verschließt die Rückkehr in den Iran und kann den Bruch mit der eigenen Familie zur Folge haben. Sie bedeutet, sich auf völlig neue religiöse Praktiken und eine neue Gemeinschaft einzulassen und ist schließlich auch ein Bekenntnis zur westlichen Kultur. Nach ein paar Monaten wurde der Großteil der Gruppe auf andere Orte in Hessen verteilt, drei blieben, und über einen von ihnen, Reza M., möchten wir berichten.

Reza, Anfang 30, Informatiker mit Abschluss, hat sein Land verlassen, weil er unter den politischen Bedingungen im Iran nicht mehr leben wollte und konnte. Er war auf dem Landweg über die Türkei und Griechenland nach Deutschland gekommen. Reza war es von Anfang an wichtig, seine Anerkennung als Flüchtling zu bekommen, sein eigenes Geld zu verdienen, unabhängig zu sein von Zuwendungen des Staates.

Reza ging den Weg vieler Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen: ein Weg ins Ungewisse, aber immer mit der Hoffnung im Gepäck, am Ende den Aufenthalt gewährt zu bekommen und irgendwo Fuß fassen zu können. Vom überfüllten Flüchtlingscamp in Gießen kam er in das überfüllte Flüchtlingscamp nach Michelstadt. Nach drei Monaten wurde ihm eine Wohnung zugewiesen, die er sich mit einem Landsmann teilte. Sein erstes Ziel war, die Sprache zu erlernen und alle behördlichen Anforderungen gut zu meistern. Er besuchte Sprach- und Integrationskurse und beantragte Asyl. Nach langem Bangen wurde er nach einer Anhörung vor Gericht als Flüchtling anerkannt und bekam eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis, die mittlerweile unbefristet ist.
Immer wieder versuchte er, in seinem Beruf Fuß zu fassen, was ihm nur einmal für kurze Zeit gelang; allgemeine Weiterbildungen in Informatik brachten nicht den erhofften Erfolg. So schlug er sich durch als Lagerarbeiter, Küchenhelfer, Koch, Paketfahrer, machte einen Taxischein.

Er war sich für nichts zu schade und kämpfte beharrlich weiter. Nach sechs Jahren gelang es ihm endlich, eine qualifizierte Weiterbildung zu erhalten. Ein halbes Jahr lang büffelte er montags bis freitags im Homeoffice; um die sprachlichen Hürden zu überwinden, holte er sich Hilfe bei einem Fachmann aus dem Iran. An den Wochenenden arbeitete er in der Gastronomie, um finanziell unabhängig zu bleiben. Im Januar 2023 legte er die Prüfung mit sehr gutem Erfolg ab und bewarb sich deutschlandweit. Zunächst gab es viele Rückschläge, aber - nach mehr als 400 Bewerbungen von Flensburg bis Rosenheim - wurde er endlich zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. 4000 Kilometer ist er in zwei Wochen durch Deutschland gefahren und konnte am Ende sogar zwischen zwei Stellenangeboten wählen.

Am 1. Juli hat er angefangen, in einer Firma in der Nähe von Stuttgart als Informatiker zu arbeiten. Eine Wohnung hat er auch schon gefunden. Seine Freundin, zur Zeit noch in Ausbildung als Krankenpflegerin, zieht bald zu ihm.

Reza hat über die Jahre den Kontakt zur Kirchengemeinde Michelstadt gehalten, hat oft ehrenamtlich mitgearbeitet. Ein Höhepunkt in den sieben Jahren war seine Taufe, 2016 im Brudergrund (Foto), durch Pfarrerin Renate Köbler.

"Wir haben Reza nach einem Abschiedsessen 'Auf Wiedersehen' gesagt", schreibt die Kirchengemeinde in ihrem Bericht. Und: Die ersten Nachrichten aus Stuttgart seien vielversprechend: Er wurde in der Firma freundlich aufgenommen, und die Arbeit macht ihm Freude. "Sicher werden wir in Verbindung bleiben und erfahren, wie es weitergeht auf dem Weg von Reza M."

 

Annelore Berg, Renate Köbler


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